Aktuelle Schadstoffproblematik - Umgang mit Fogging und Chloranisol A) Fogging

A) Fogging

Dr. Peter Neuling
Berlin

Zusammenfassung

Das Phänomen:
Als Fogging im Innenraum wird eine Abscheidung von Staub in Kombination mit einer schmierig-öligen Oberfläche an Raumoberflächen bezeichnet.

Nachfolgend werden solche Faktoren und Beobachtungen gelistet, bei welchen das Auftreten des Fogging-Phänomens zumeist beobachtet worden war: So z.B. Bei vorausgegangenen Renovierungsarbeiten nach Verwendung von Farben, Lacken und Klebern - heute immer mit schwerflüchtigen org. Verbindungen versetzt mit sog. SVOCs. Diese Stoffklasse befindet sich aber auch in Duftstoffen, Reinigungsmitteln und Kunststoffen aller Art. Es sind klebrige Substanzen, die sich an Staub oder Rußparikeln andocken. Fogging tritt insbesondere im nachfolgenden Winter zu Beginn der Heizperiode auf und damit der Existenz von Wärmebrücken an Außenwänden. Sehr häufig waren bei Fogging entsprechende Ruß- und Staubquellen - wie Kerzen, Öllämpchen, Kamin, verbleibender Kochdunst – in entsprechend belasteten Wohnungen festzustellen.

Speziell zu Beginn der Heizungsperiode ist zunächst die Raumluft wärmer als die angrenzenden Wänden: Das führt zum Effekt der Thermophorese. Ebenfalls in den Wintermonaten werden häufig Kerzen, Kamine und andere Rußquellen in Gang gesetzt, das führt zu vermehrtem Feinststaub. Insbesonders bei wärmegedämmten Wohnungen und, einhergehend mit luftwechseldichten Fenstern (Luftwechsel heute üblich bei < 0,1 bis 0,5 pro Std.), verbleiben Staub, Ruß, Aerosolpartikel, schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) und Feuchtigkeit verstärkt in den Wohnungen.

Eigentlich unsichtbare SVOC-Moleküle lagern sich zuerst an Feinststaubpartikel an. Durch Wiederholung des Vorganges an einem Partikel wachsen diese bis zur Sichtbar-Werdung. Parallel laufen ab die Prozesse der Thermophorese, der Prallflächen-Turbulenzen an Ixeln, das Fehlen von Stoff-Senken (minimales Lüften) und erhöhte Raumluftfeuchten.

1. Einleitung

Als Fogging im Innenraum wird eine Abscheidung von Staub mit einer schmierig-öligen Konsistenz an Raumoberflächen bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein relativ neues Phänomen, das über das Umweltbundesamt etwa seit Mitte der 1990er Jahre bekannt gemacht wurde (Bild 1).[1]

Das Schwarzstaub‑Phänomen ist jedoch bis heute in seinen Ursachen noch nicht vollständig aufgeklärt. Bekannt sind allerdings einige begünstigende oder auslösende Faktoren.

2. Typische Bilder des Phänomens

Die Ablagerungen bilden über den Heizkörpern und anderen Wärmequellen, wie Lampen oder Netzgeräten, typische dunkle Fahnen. Direkt über der Heizquelle ist die Ablagerung geringer, über den Auflagepunkten der Heizkörper dunkler (Bild 2). An Hinder­nissen, wie etwa den Balken oder an Schellen von Heizungsrohren wird viel Staub durch Prallwirkung abgeschieden (Bild 3). Im Bereich der geometrischen Wärmebrücken im Winkel von Wand und Decke ist die Abscheidung besonders hoch, im äußersten Winkel (Ixel), wo die Luftbewegung gegen Null geht, ist die Abscheidung gering (Bild 1).[2]

Wie eine schwarz‑weiß Photographie bilden sich sofern vorhanden mitunter die Deckenbalken und die Schrauben der Gipskartonplatten ab (Bild 4). Dies ist dann nicht eine Folge der Anströmgeschwindigkeit der fein­staubbeladenen Luft, sondern ein Effekt der Oberflächentemperatur. Deshalb ist die Schwarzfärbung in der Regel an Außenwänden oder im Deckenbereich von ausgebauten Dachgeschossen am stärksten ausgeprägt.[2]

Aber auch andere Oberflächen können in Räumen betroffen sein. In erster Linie sind dies Vorhänge, Teppichböden, Sitzmöbel sowie Kunststoffoberflächen wie Fenster­rahmen und Kücheneinrichtungen (Bild 5; 6). Selbst in Schränken und in Kühlschränken kommt es zu schwarzen Filmen (Bild 6).

Typische Staubweben sind in den betroffenen Wohnungen von ganz besonderer Wir­kung, da sie tiefschwarz werden (Bild 8). Wo Luft durch Ritzen und Wände tritt wird Staub abgeschieden. Durch Pumpeffekte der Bodenplatte auf der elastischen Trittschall­dämmung wird z.B.: Schwarzstaub im Bereich der Dehnungsfuge auf der Auslegware abgeschieden und sichtbar (Bild 7).

3. Ursachen des Auftretens

Nach vielerlei bisherigen Beobachtungen und Untersuchungen werden folgende Faktoren als Ursache der Entstehung des Fogging diskutiert.[3]

3.1 Vorausgegangene Renovierungsarbeiten bzw. Neubau

In ca. 86% der beobachteten "Fogging"-Fälle handelte es sich um renovierte Wohnungen bzw. um einen Neubau. In 52% der Fälle wurden Malerarbeiten vorgenommen, in 34% Fußbodenarbeiten und in 23% Dichtungsmaßnahmen.

3.2 Zeitlicher Verlauf

Das Auftreten des Foggings findet in 41% der Fälle innerhalb von 12 Monaten nach der letzten Renovierung bzw. nach dem Einzug statt. Manchmal mit Überraschung wird das Fogging –Phänomen aber auch innerhalb eines Tages festgestellt oder nach längerer Abwesenheit der Bewohner (z.B. durch Urlaub).

3.3 Heizphase

In 92% der Fälle trat das Staubphänomen in der Heizphase auf. Dies wird dem Einfluss der verringerten rel. Luftfeuchte in den Wintermonaten zugeschrieben Insoweit führen isolierende Oberflächen wie Vinyltapeten, Laminatfußboden oder Kunststoffe zu elektrostatischen Effekten und in Folge zu Staubabscheidung. Betroffen sind deswegen häufig Fensterrahmen, Türen oder Möbel aus Kunststoffen, ebenso Latexanstriche an Wand- und Deckenflächen (Bild 1).

3.4 Wohnungsnutzung

Auffallend häufig wird die Vergrauung der Wohnung nach der Rückkehr von einer längeren Abwesenheit oder seltener Nutzung der Wohnung festgestellt. Auffallend ist auch, dass überdurchschnittlich Wohnungen ohne Kinder betroffen sind. Am häufigsten findet sich der Niederschlag auf Oberflächen im Wohnzimmer.[3] Neuester Terminus: Fogging ist weiblich (Verwendung von mehr Kosmetika, Kerzenbeleuchtung, Reinigungsmittel).[4]

3.5 Bauphysikalische Gegebenheiten:

Kalte Außenwände und insbesonders Wärmebrücken stellen eine bevorzugte Kondensationsfläche dar. Dachschrägen und die Ixel-Bereiche sind klassische Örtlichkeiten für Fogging-Phänomene (Bild 1). für den mit der warmen Heizungs-Luft aufsteigenden Staub (Prallwände) (Bild 3).

3.6 Ruß- und Staubquellen:

Wohnungsintern: Verschiedene Quellen innerhalb einer Wohnung trage zu verstärkter Freisetzung von Staub- und Rußquellen bei: Zigarettenrauch, Kerzen, Essenszubereitung, Teppichböden mit Faserfreisetzung und intensive Wohnungspflege (oberflächenaktive Substanzen) (Bild 9).

Wohnungsextern: Rußbeladene Außenluft (durch verkehrsreiche Straßen, Industrieemissionen, Wohngebiete mit Kleinfeuerungsanlagen).

4. Physikalische Erklärungsversuche

4.1 Thermophorese

Thermophorese bezeichnet den Vorgang eines Stofftransportes als resultierende Kraft der unterschiedlichen thermischen Bewegung von Luftmolekülen. An einer Wandfläche, deren Temperatur nicht oder noch nicht der Innenraumluft-Temperatur entspricht, besteht ein Temperaturgefälle zur Wand hin. Die „wärmere Luft“ also Moleküle mit größerer kinetischer Energie („Temperatur“) bewegen sich schnell entlang der kalten Wand. Sie kühlen sich in der Nähe der Wand mehr ab, als raumseitig, haben sodann eine geringere kinetische Energie und bewegen sich dann deutlich langsamer in Richtung Oberfläche – mit dem Effekt ggf. an der kalten Wand anzuhaften. Wärmebrücken erscheinen daher vordergründig als Auslöser des Foggings (Bild 1).

4.2 Feinstaub, Feinststaub

Da die Ablagerungen mikroskopisch als Ansammlung von Feinstaub-Partikeln erscheinen, wird dem Aufkommen von Feinstaub und Feinststaub per se eine Fogging auslösende Wirkung zugeschrieben. Ein gemeinsames Merkmal der Untersuchungen mittels Röntgenelektronenmikroskopie war ein hoher Kohlenstoffanteil der schwärzenden Partikel, ähnlich dem von Ruß oder Graphit (Bild 8)

4.3 Wärmedämmung

Der eingeschränkte Luftaustausch bei sozu sagen „ideal isolierten Räumen“ führt in Verbindung mit dem Wärmezuwachs und den sowieso vorhandenen Fogging bildenden Substanzen verstärkt zu schwarzen Flächen.

4.4 Klebefilm-Effekt

Luftgetragene Staubpartikel strömen an weichmacherhaltigen Oberflächen vorbei und bilden sodann einen schmierigen Belag. Insoweit müssten bei absolut gleichartigen Wohnungen – wie sie z.B in einer Wohnanlage vorkommen können – jeweils dasselbe Phänomen sichtbar werden. Ist aber nicht so, denn bei ein und demselben Wohnungstyp entstehen nicht unbedingt dieselben Fogging-Phänomene. Absolut gleiche Wohnungssituationen ggf. sogar vergleichbares Nutzerverhalten (Lage an verkehrsreichen Straßen, Raucher, Kerzenabbrand) müssen nicht a priori zum Fogging-Phänomen führen. Das macht die Bewertung solcher Fälle oftmals schwer. Herauszufinden ist insoweit ein anderes Charakteristikum, welches den kleinen aber markanten Unterschied zwischen gleichen Wohnungen ausmacht. Das können ggf. Unterschiede bei den Mengen an Fein- und Feinststäuben in Raum- oder Umgebungsluft sein oder auch nutzungsspezifische Unterschiede bei den Bewohnern oder vielleicht doch geringfügige bauliche Unterschiede (Bild 9)

5. Entstehung

Der entscheidende Vorgang für Fogging ist die Anlagerung von schwerflüchtigen organischen Verbindung (SVOC) an die Feinstpartikel in der Raumluft.

5.1 Primäre Kondensation

Durch primäre Kondensations-Anlagerung von SVOC auf der Partikeloberfläche erhält diese neue Oberfläche auch neue chemische Eigenschaften. Es kann nun aus diesen Kondensationskernen durch weitere Anlagerung ein Wachstum des Kerns erfolgen. Mit dem Kernwachstum vergrößert sich auch die Oberfläche des Partikels, was eine weitere Anlagerung von SVOC begünstigt.

5.2 Sekundäre Kondensation

Im makroskopischen Maßstab kommen mittelbar die folgenden, sich überlagernde physikalische Tatbestände zur Geltung: Z.B. Thermophorese, Kontakt mit Prallflächen, Kontakt mit Latex-Anstrich geglätteten Oberflächen, elektrostatische Aufladung an Kunststoffen, Fehlen von Senken, sedimentierter oder nicht aufgewirbelter Grobstaub und Möbeltextilien aus Kunstfaser (Bild 11).

6. Probenahme

Probenahmen für die Fogging-Substanzen sollten generell als Wischproben auf inerten Flächen durchgeführt werden, wie z.B. auf Glas (Fenster, Vitrinen, Leuchten) oder Fliesen (Badezimmer) oder auf Bildschirmen von Fernsehapparaten.

Dazu werden extra-gereinigte Tücher und ein organisches Lösemittel wie z.B. Toluol oder Isopropanol verwendet. Mit diesen Hilfsmitteln werden sog. Wischproben hergestellt, und zwar auf genau ausgemessenen Flächen. Die Proben werden kontaminationsgeschützt in Glasbehälter verpackt (Bild 12).

7. Analytik

Nach aktuellem Kenntnisstand sollte die Analytik von Fogging-Proben mindestens folgende schwerflüchtigen Substanzen umfassen:

Alkane/Paraffine, Weichmacher, Phthalate/Anhydride, Fettsäuren, Fettsäureester, Fettalkohole, Benzo(a)pyren.[3]

8. Bisher anerkannte und übliche Sanierungsempfehlungen

Um die Fogging-Einfärbungen zu entfernen, ist generell Folgendes zu planen: Vor einem Neuanstrich von „befallenen Oberflächen“ sollten die sichtbar eingefärbten Wandflächen mit einem geeigneten Staubsauger der Klasse K1 oder H1 abgesaugt werden. Der Teppichboden sollte mit Trockenschaum  gereinigt werden. Alle glatten Oberflächen wie Türen Fensterrahmen, Möbel, Fenster (ggf. auch in Kühlschränken) sollten sorgfältig mit fettlösenden/oberflächenaktiven Reinigern gesäubert werden. Für den Neuanstrich sind Farben zu verwenden, die die Bezeichnung „Weichmacherfrei“, „frei von fogging-aktiven Substanzen“, „Allergikerfarbe“ o.ä. tragen. Vorsorglich ist zusätzlich das Entfernen der Tapeten zu überdenken. Boden- und Wandbeläge aus PVC, Linoleum oder Vinyl und bestimmte Teppichboden-materialien enthalten selbst ausgasende SVOC-Stoffe und sollten im Einzelnen überprüft und gegen weichmacherfreie Boden- und Wandbeläge ausgetauscht werden. Küchen- und Badabzüge sollten auf Funktionstüchtigkeit überprüft und regelmäßig gewartet werden.[5]

Auf den Erkenntnissen des Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes in Hamburg und Berlin aufbauend, sollte nach Renovierung und/oder Sanierungen einer Wohnung - vor der ersten kommenden Heizperiode - ein Luftwäscher in der Wohnung aufgestellt werden. Für die Auswahl geeigneter Geräte stehen Sachverständige und spezialisierte Ingenieurbüros für Lüftungstechnik zur Verfügung.[6]

9. Mietrechtliche Fragen

Da die Ursachen komplexer Natur sind, ist die mietrechtliche Frage, wer für Schäden aufzukommen hat, noch schwieriger zu beantworten als bei Schimmelbefall und von der Einzelfalluntersuchung abhängig. Um einen Mietmangel sollte es sich nach den Auffassungen der Landgerichte Berlin und Ellwangen sowie des Bundesgerichtshofes handeln.[7]

Der Bundesgerichtshof klassifizierte 2008 auf Basis eines Sachverständigengutachtens die möglichen Ursachen (die Ausstattung der Wohnung mit einem handelsüblichen Teppich, das Streichen der Wände mit handelsüblichen Farben und das Reinigen der Fenster im Winter als „vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache“.[7]

10. Gesundheitsgefährdung

Eine gesundheitliche Gefährdung geht von den Schwarzstaubablagerungen nicht aus.[5] Ebenfalls existieren keine Richt- oder Orientierungswerte für das Phänomen.

Literatur

[1] Umweltbundesamt (UBA): Schwarze Wohnungen, „Fogging-Effekt“, 17.12.2013 mit Hinweis auf: Attacke des schwarzen Staubes - Das Phänomen „Schwarze Wohnungen“ Ursachen – Wirkungen – Abhilfe. 2004

[2] P. Plieninger: "Schwarzstaub: Ruß, Dreck oder Spuk?", Ergebnisse des 6. Fachkongresses der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute, AGÖF-Tagungsband 2001: S. 319

[3] W. Maraun: „Fogging: Adhäsion als primärer Auslöser der „Schwarzstaub“-Ablagerung“, Ergebnisse des 11. Fachkongresses der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute, AGÖF-Tagungsband 2016: S. 259

[4] B. Gräber; M. Wesselmann: WELT: Mysteriöses Fogging ,,Warum der rußige Staub dort entsteht, wo Frauen wohnen“, 06.01.2016

[5] H.-J. Moriske, et al: „Zum Phänomen der „Schwarzen Wohnungen“ – aktueller Sachstandsbericht, gi-Gesundheitsingenieur 121 (2000) Nr. 6, S. 305.

[6] M. Wesselmann: „Das Phänomen der schwarzen Wohnungen“. Ergebnisse des 11. Fachkongresses der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute, AGÖF-Tagungsband 2016: S. 64

[7] Mieterschutzbund-Berlin e.V.: „Fogging-einer Erscheinung auf der Spur - Schwarze Wände und Decken mit noch nicht geklärter Ursache (mit Urteil vom AG-Charlottenburg und Kommentar zum Urteil)“, Mieterschutz, Heft 5/2011

[8] P. Neuling: Auszüge aus diversen Gerichtsgutachten zu Beweis­sicherungs­aufträgen (geschwärzt, bzw. verschlüsselt), abzufragen über 0172 326 39 56

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